Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch den Sachsenwald spazieren und plötzlich steht ein Wolf vor Ihnen …
So ähnlich ist es Burkhard Czarnitzki und mir am Mittag des 9. November 2023 passiert. Allerdings waren wir im Auto. Wir fuhren auf der L208 von Kröppelshagen nach Aumühle und ca. 500 Meter, bevor wir in die Sachsenwaldstraße einbiegen wollten, lief vor uns von links nach rechts ein schönes hellbraun/graues Tier über die Straße. Es entfuhr uns ein Laut des Unglaubens, als das zweite Tier gleich darauf folgte. Wir hatten tatsächlich zwei Wölfe gesehen.
Es gab Gerüchte, dass es im Herzogtum Lauenburg Wölfe geben soll, aber nun hatten wir sie leibhaftig gesehen. Es ist ein erhabenes Gefühl, diese schönen Tiere in freier Wildbahn zu sehen. Und ich gestehe, ich war sehr aufgeregt.
Aber es war auch in nächster Nähe zu meinem Wohnhaus und dann fängt man an zu grübeln …
Als Erstes habe ich den Bürgermeister informiert, dieser hat mir empfohlen, mich an die Naturschutzbehörde zu wenden. Dort rief ich an und berichtete von meiner interessanten Sichtung. Zuständig sind die Wolfbetreuer, die es überall im Bundesgebiet gibt. Für uns im Herzogtum Lauenburg ist es Gunther Esther.
Herr Esther rief mich an und befragte mich zu meiner Sichtung. Wie groß waren die Wölfe? Der Zweite in etwa so wie ein großer Schäferhund, der Erste deutlich größer. Wie trugen sie ihre Rute? Haben wir so schnell nicht beachtet. Wie schnell haben sie sich bewegt? Im Trab.
Herr Esther würde nun eine Meldung an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) machen, wo dann die Informationen in einer Monitoring-Datei gesammelt werden. Unsere Beobachtung bestätige seine Vermutung, dass es ein Jungtier gibt. Dass sich ein Pärchen im Sachsenwald niedergelassen hat, vermuten die Wolfbetreuer schon länger.
Der ehemalige Kripo-Beamte erzählte mir von seinen Aufgaben als ehrenamtlicher Wolfbetreuer, als solcher sei er dem Umweltminister unterstellt. Wenn bekannt ist, dass Wölfe in der Nähe sind, nimmt er Kontakt zu Nutztierhaltern auf. Diese werden informiert und es wird über Schutzmaßnahmen gesprochen. Das Land Schleswig-Holstein übernimmt die Materialkosten für Zäune etc., allerdings erfolgt der Aufbau in Eigenleistung.
Sollten Tiere gerissen werden, wird die DNA überprüft – häufig wird festgestellt, dass es gar nicht Wölfe waren. Aber es wird kontinuierlich überwacht, ob Wölfe übergriffig sind. Sollte dies der Fall sein, müssen diese „entnommen“ werden, was der sanfte Begriff für getötet ist.
Dann kommen wir zu der spannenden Frage, was man machen soll, wenn man einem Wolf begegnet. Man brauche keine Angst zu haben, ist die beruhigende Antwort. Der Wolfbetreuer, der selbst auch Jäger ist, hält häufig Vorträge in Schulen und Kindergärten, unter anderem war er auch schon in unserer Grundschule. Dort übt er mit den Kindern das Verhalten. „Nicht weglaufen!“ sagt er, sondern langsam rückwärts gehen und sich dabei laut mit dem Wolf unterhalten: „Hey Wolf, was ist los? Wie geht es Dir? Darf ich ein Foto von Dir machen?“ Dann laufe der Wolf in der Regel selber weg, ist sein Ratschlag.
Seit 1945 gebe es keine dokumentierten Übergriffe auf Menschen. In Osteuropa habe es einen bekannten Fall gegeben, der aber von einem tollwütigen Tier ausging. Deutschland sei hingegen nahezu tollwutfrei. Unter den Fledermäusen gebe es noch Tollwut, die aber nicht weitergegeben werde. Der Wolfbetreuer Esther betont, dass wir uns keine Sorgen machen müssen.
Auch Hunde und ihre Menschen müssen sich keine Gedanken machen. In der Regel kennen Hunde die Zeichen der Warnung, die von Wölfen ausgehen. Zudem gilt in in Schleswig-Holstein ja auch im Wald die Leinenpflicht. Detaillierte Informationen zum Umgang für Hundebesitzer hat der NABU zusammengestellt. Und was machen Reiter? Da hat der NABU ebenfalls detaillierte Infos.
Vielen Dank, Herr Esther für die interessanten Einblicke in Ihre Arbeit.
Und ich kann mich jetzt einfach freuen an diesem seltenen Erlebnis, Wölfe gesehen zu haben.
PETRA MICHALSKI
Die Wolfbetreuer für das Herzogtum Lauenburg erreichen Sie unter Tel. 0151 40146585.
Am 16. November 2023 gibt es zudem einen Vortrag im Theater Augustinum: „Mit den Wölfen leben“.
Hinweis: Das Foto zeigt NICHT die gesichteten Wölfe, sondern dies ist eine Aufnahme von Christel Sagniez (pixabay.com).