Gemeinsam die Energiewende vor Ort mitgestalten

Die Klimakrise ist eines der wichtigsten aktuellen Themen für viele Menschen. Doch wie gelingt die Energiewende vor Ort, um unsere Lebensgrundlage zu schützen? Dafür gründete sich im vergangenen Jahr in Wohltorf die Bürgerenergie Bille eG. Welche Ziele die Genossenschaft verfolgt und wie jede*r dabei mitmachen kann, erklärt der Vorsitzende der Genossenschaft Fabian Lange.

Fabian, wie entstand die Idee, eine Energie-Genossenschaft zu gründen?

Fabian: Vor zwei Jahren habe ich angefangen, eine Photovoltaik-Anlage für unser eigenes Haus in Wohltorf zu bauen. Ich habe schnell gemerkt, wie sinnvoll das ist und wie gut das funktioniert – und dass die Anlage und die Investition sich selbst trägt. Als ich mich dann hier im Ort umschaute, fiel mir auf: Warum gibt es nicht mehr solcher Anlagen? Ich wohne auch hier direkt neben dem Tontaubenklub, mit seinem riesigen Hockey-Halle, und dachte, auf das Dach, da muss doch Photovoltaik drauf.

Und das war der Startschuss für die Genossenschaft?

Fabian: Genau, ich habe überlegt, wie kann man das nun umsetzen. Ich dachte gleich an eine Genossenschaft, weil ich es gut finde, dass sich jeder daran beteiligen kann. Also nicht nur die, die sich das leisten können und privat eine solche Anlage auf das Dach bauen, sondern auch Mieterinnen und Mieter, die nicht so viel Geld haben. Auf meinen Aufruf im Sachsenwalder meldeten sich gleich drei Interessierte, und das Ganze zog immer größere Kreise, bis zur Klimaschutz-Initiative in Reinbek. Im August 2022 haben wir dann mit zwölf Gründungsmitgliedern die Genossenschaft gegründet. Das ging alles sehr schnell, was einige überrascht hat, dass wir einfach loslegen.

Wie viele Mitglieder gibt es aktuell?

Fabian: Wir sind auf 110 angewachsen, und es kommen immer neue dazu. Das läuft ziemlich gut.

Wie sind die Bürgerinnen und Bürger als Mitglieder in Eurer Genossenschaft genau beteiligt?

Fabian: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder können Interessierte Genossenschaftsanteile in Höhe von je 250 Euro kaufen, hier bieten wir auch Ratenzahlungen an. Dann ist man stilles, passives Mitglied und unterstützt die Genossenschaft finanziell, damit wir die Photovoltaik-Anlagen bauen können. Gleichzeitig sind wir eine Mitmach-Genossenschaft. Wir freuen uns also, wenn die Mitglieder den Prozess mitgestalten und ihre jeweilige Expertise mit einbringen oder einfach Lust haben, bei unseren Arbeitstreffen mitzudenken, und sich zu engagieren, die Genossenschaft bekannter zu machen. Wir haben intern auch ein „Job board“, wo gelistet ist, was gerade an Aufgaben ansteht.

Fabian Lange ist IT-Architekt, Jahrgang 1984, verheiratet, und hat eine Tochter.

Was bietet die Genossenschaft zurzeit an?

Fabian: Wir möchten zunächst Photovoltaik-Anlagen auf vorhandenen Großdächern bauen, also bereits versiegelte Flächen möglichst gut für die Energiewende nutzen. Wir erzielen dann Gewinne, indem wir die Energie an der Strombörse verkaufen oder an die Gewerbetreibenden oder Mieter unter den Dächern. Mit den Erlösen möchten wir dann weitere Anlagen bauen.

Gibt es schon Anlagen, die in Betrieb sind?

Fabian: Noch nicht, derzeit planen wir eine erste große Anlage auf einem Gewerbedach in Hamburg-Rahlstedt mit 7.000 Quadratmetern, darauf wollen wir eine Anlage bauen, die 450 Kilowatt als Spitzenleistung hat, das der Größe, die auf 45 Einfamilienhäuser passt und den Energiebedarf von ca. 100 Haushalten abdeckt. Wir stehen hier kurz vor einem Vertragsabschluss. Wir pachten dabei nicht nur das Dach für 25 Jahre, sondern wollen das Gewerbe auch mit Industriestrom versorgen. Im Spätsommer soll dann der Bau der Anlage starten. Aber auch mit dem Tontaubenklub in Wohltorf laufen derzeit Gespräche. Letztlich bietet es sich an, bei allen Neubau- und Sanierungsprojekten in unseren Gemeinden eine entsprechende Anlage gleich mitzuplanen.

Was ist in Zukunft geplant?

Fabian: Mittelfristig wollen wir auch in Windenergie investieren, in Wasserstrom sowie in Energiespeicher-Systeme. Hier gibt es interessante neue Entwicklungen bei den Batterien, die dann ohne Lithium, Nickel oder Cobalt funktionieren und den Strom für die Zeiten speichern, in denen Sonne oder Wind nicht so zu Verfügung stehen. Aus unserer Sicht sind hier dezentrale Speicher vor Ort sinnvoll, die wir dann gern bauen möchten. Langfristig sollen dann auch Mitglieder den Strom für ihren Privathaushalt bei uns kaufen können, und nicht nur eine Dividende ausgeschüttet bekommen. In der Europäischen Union ist dieses Energie-sharing bereits verankert, in Deutschland braucht es aber noch
gesetzliche Regelungen.

Nun sind einige Vorstandsmitglieder der Energie-Genossenschaft ja auch Mitglied bei Bündnis 90/Die GRÜNEN und in Wohltorf politisch aktiv, das heißt, Ihr entscheidet ja im Zweifelsfall über mögliche neue Photovoltaik-Anlagen auf Gemeindedächern mit. Wie stellt Ihr sicher, dass es nicht zu Interessenskonflikten kommt?

Fabian: Alle Vorstandsmitglieder sind ehrenamtlich tätig, es gibt also auch keine Provision, die wir uns für einen Auftrag zahlen. Aber natürlich halten wir alle Anteile an der Genossenschaft, letztlich profitieren aber so alle Mitglieder, wenn neue Anlagen gebaut werden über die ausgezahlte Dividende. Sollte der Anschein entstehen, dass wir einem Interessenkonflikt unterliegen, würden wir auf den Bau auf diesem
Dach verzichten – es gibt genügend Alternativen in unseren Gemeinden, die unproblematisch sind. Wenn wir direkt an Entscheidungen in den Ausschüssen oder dem Gemeinderat beteiligt sind, würden wir uns bei der Abstimmung enthalten. Letztlich sehen wir die Genossenschaft vor allem als Gemeinschaftsprojekt, in dem Menschen aus den Gemeinden zusammenkommen und etwas anpacken, was ihnen am Herzen liegt – auch wenn sie noch gar nicht viel über die Technik oder die Energiewende wissen. Dafür brenne ich. Und wir stehen natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn Bürger*innen Fragen zu ihrer eigenen Photovoltaik-Anlage haben.

Die Fragen stellte ARND SCHWEITZER. Transparenzhinweis: Der Interviewer
besitzt vier Genossenschaftsanteile der Bürgerenergie Bille eG.

Weitere Informationen finden Sie hier.